Seelenliebe 3.3
... Obwohl der Mond noch relativ voll war, ist der Friedhof in fast vollkommeneDunkelheit getaucht. Von den warmen, orange-roten Strahlen der Sonne warso gut wie nichts mehr zu sehen. Plötzlich bemerkte ich einen großen Schatten
auf dem Boden und erschreckte mich kurz, bemerkte dann aber, dass es lediglich
eine Wolke war, die sich vor den Mond geschoben hatte. Eigentlich war es lächerlich.
Ich war ein Geist und konnte trotzdem nicht dieses unbehagliche Gefühl
abschütteln, welches Friedhöfe nachts in mir auslösten. Ich sah mich um.
Lichter brannten auf einigen Gräbern und zentral gelegen, stand nicht allzuweit
weg von mir, eine wunderschöne Kapelle. Obwohl ihre Farben wegen der
Dunkelheit nicht zu sehen waren, konnte man doch trotzdem die
wunderhübschen Ornamente und Mosaik-Glasfenster erkennen. Alles zusammen,
die Kapelle, die vielen durch Kerzenschein beleuchteten Gräber, und dazu die
Sterne und der Mond, schufen eigentlich eine wundervolle, einzigartige, überhaupt
nicht gruselige Atmosphäre. Einige Schritte von mir entfernt, bemerkte ich ein
Grab welches überladen war mit frischen Blumen und erkannte, dass es meines ist.
Jenes an dem ich auch heute Mittag bei der Beerdigung gestanden hatte und zum
ersten Mal Elias gesehen hatte. Auf dem Grabstein las ich:
Rosalie Still20.März 1995 - 20.März 2013Aufeinmal bist du nicht mehr da,und keiner kann's verstehenIm Herzen bleibst du uns ganz nah,bei jedem Schritt, den wir nun gehen.Nun ruhe sanft und geh' in Frieden,denk immer dran, dass wir dich lieben.Ich hatte also recht gehabt. Ich hieß wirklich Rosalie. Entfernt begann ich mich auchdaran zu erinnern es während der Predigt gehört zu haben. Es war mir lediglichentfallen, da ich nicht richtig zugehört hatte. Die Erinnerungen an die Beerdigung, die
Predigt, die Feier kamen alle wieder in mir hoch und ich musste mir eine blöde Träne
verkneifen. Ich hatte das Weinen bereits gründlich satt.
In Gedanken verloren vergaß ich fast warum ich hier her gekommen war.Mehrmals sah ich nochmals um mich, konnte jedoch leider niemanden entdecken.Wo waren all die Seelen hin? War ich tatsächlich die Einzige, die hier feststeckte?Eigentlich dachte ich, dass ich hier jemanden finden könnte, der so ist wie ich.Wenigstens eine Seele! War das denn zuviel verlangt?Der Wind begann stärker zu wehen, was mich etwas beruhigte und ich genoss kurz die
frische Brise. Enttäuscht machte ich mich jedoch wieder auf den Weg nach Hause.
Auf dem Nachhauseweg kam ich wieder an der Bibliothek vorbei und sah erstaunt,
dass dort in einem der Räume im Erdgeschoss ein Licht brannte. Um diese späte
Uhrzeit war noch jemand in der Bibliothek? Wie spät konnte es jetzt sein?
Vielleicht halb elf oder sogar schon volle elf Uhr? Normalerweise sollte die Bibliothek
da schon längst zu sein. Mal wieder nicht in der Lage, meiner Neugier zu widerstehen,
ging ich auf die Bibliothek zu. Die Tür war selbstverständlich zu, also
stand ich vor dem Problem, nicht zu wissen wie ich hineinkommen sollte.
Richtig verschlossen konnte die Tür nicht sein, dachte ich mir, denn irgendjemand
musste ja drinnen sein. Klar, ich könnte wieder den "Durch-die-Wand-geh-Trick"
versuchen. Der war mir aber schonmal missglückt. Ich wollte wissen, ob ich es nicht
vielleicht hinbekommen könnte, die Klinke der Tür herunterzudrücken.
Sollte dies nicht einfacher gehen als komplett durch feste Materie hindurchzugehen?
Ich streckte also meinen Arm nach vorne aus und hielt sie leicht über der Klinke.
Ich versuchte einige Male die Klinke zu ergreifen, aber es klappte nicht. Meine Hand
ging hindurch. Ich schloss die Augen und versuchte mich irgendwie auf meine Hand zu
konzentrieren, mir vorzustellen wie meine Hand "real" wurde, damit ich die Klinke
betätigen konnte. Ich spürte kurz darauf leicht, wie meine rechte Hand wärmer zu
werden schien und lauter winziger, kleiner, imaginärer Ameisen meinen Arm entlang
krabbelten, bis hin zu meiner Hand. Irgendetwas funktionierte! Also
versuchte ich langsam mit meiner Hand die Klinke zu ergreifen und stieß diesmal
tatsächlich auf Widerstand. Ja! Dachte ich mir freudig. Genau das hatte ich gewollt!
Ich drückte langsam die Klinke herunter und wollte die Tür anschieben, doch ich war
in meiner Euphorie es so schnell hinbekommen zu haben, nicht mehr konzentriert
genug und in der nächsten Sekunde schnellte die Klinke durch meine Hand, nach oben,
wieder in ihre Ausgangsposition. Es gab ein lautes Geräusch dadurch und ich
erschreckte mich ein wenig. In dem Raum hörte ich auch ein plötzliches Geräusch.
So als ob ein Stuhl plötzlich verrückt wurde vielleicht?
Jemand musste mich gehört haben. ...
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